Die Schönen, das Biest & der Guru

13 Feb 2010 von Jörg Buttgereit

Panorama:
THE ACTRESSES,
SEX & DRUGS & ROCK & ROLL,
DAVID WANTS TO FLY

Filme drehen, hat François Truffaut einmal gesagt, bedeute, schöne Frauen schöne Dinge machen zu lassen. Dann hätte ihm THE ACTRESSES / YEOBAEWOODLE von E J-young sicher gut gefallen, der zum dritten mal einen neuen Film im Panorama präsentiert. In der Fake-Doku treffen Koreas schönste Schauspielerinnen Youn Yuh-jung, Ko Hyun-jung, Choi Ji-woo, Kim Ok-vin, Kim Min-hee und Lee Mi-sook am Weihnachtsabend zu einem einmaligen Foto-shoot für das Hochglanz-Modemagazin Vogue aufeinander. Das kann natürlich nicht gut gehen.
Sicher kann man den Film als eine Liebeserklärung an die schönsten Frauen Koreas verstehen. Doch der unterschwellige Zickenkrieg und das unaufhörliche, selbstbezogene Geschnatter der tollen Frauen ist auf Dauer schon recht anstrengend und auch entzaubernd. Natürlich auch, weil der Film mit pseudodokumentarischer Wackelkamera gedreht wurde und in der Pressevorführung im koranischen Original mit englischen Untertiteln zu sehen war. Stellenweise fühlt man sich wie in einer Endlosfolge von “Koreas Next Top-Model” gefangen. Schwer zu sagen also, ob Regisseur E J-young den angebeteten Damen huldigen oder sie bloßstellen will. Wahrscheinlich beides. So ist man auch als Zuschauer hin und her gerissen von den Leinwandschönheiten.

Der Schauspieler Andy Serkis ist keine Schönheit aber weltberühmt. Trotzdem kennt man sein Gesicht nicht. Schuld daran ist Peter Jackson. Denn Serkis ist der Schauspieler, der per Motion-Capture-Verfahren dem schrulligen Gollum in der HERR-DER-RINGE-Trilogie und dem verliebten Riesenaffen in KING KONG Leben einhauchte. Ein mimisches Supertalent also, das sich auch erfolgreich durch den sonst nicht besonders aufregenden Panorama Beitrag SEX & DRUGS & ROCK & ROLL grimassiert. Serkis spielt die gehbehinderte Punk-Ikone Ian Dury, die Ende der der siebziger Jahre als „Ian Dury and the Blockheads“ mit zynischen Kneipen-Punk Hits wie „Hit Me With Your Rhythm Stick“ bekannt wurde. Der Film rekapituliert den Werdegang des vor 10 Jahren verstorbenen Sängers mythisch überhöht und mit reizvoll animierten Animationspassagen. Stilistisch orientiert sich Regisseur Mat Whitecross an Julien Temple`s Sex-Pistols-Film THE GREAT ROCK `N` ROLL SWINDLE. Sein Film ist sehenswert wegen der Hingabe mit der Serkis den egozentrischen Dury spielt, aber längst nicht so rotzig und frech wie er nach meinem Dafürhalten sein müsste. Immerhin geht’s hier um Punk und nicht um Gefälligkeit.

Um Gefälligkeit geht es auch nicht in dem „Aufklärungsfilm” DAVID WANTS TO FLY. Der Jungfilmer David Sieveking sucht hier Inspiration bei seinem (und unserem) hochverehrtem Lieblingsregisseur David Lynch im fernen Amerika. Lynch bekehrt Sieveking von den Lehren des indischen Weltverbesserers Maharishi Mahesh Yogi und der Transzendendalen Meditation. Der Regieaspirant ist fasziniert, belegt teure Kurse, darf innerhalb der Organisation filmen und dokumentiert seinen eitlen Selbstfindungstrip. Auch bei der lächerlichen Grundsteinlegung der TM-Universität „Unbesiegbares Deutschland“ auf dem Berliner Teufelsberg ist er mit seinem Kameramann dabei.
Sein Film hat viele schmerzhafte Antworten für besorgte Lynch Anhänger (wie mich). Aus dem idealistischen Genie wird ein komischer Vogel, der sich womöglich von einer profitgeilen Organisation mit sektenähnlichem Charakter benutzen lässt. Doch demontiert Sieveking sein Idol nicht völlig. Zu viel Respekt hat er vor ihm. Ob ihn das vor einer von Lynchs Anwalt angekündigten Klage gegen seinen Film rettet, bleibt abzuwarten. Gesehen hat Lynch den Film noch nicht. Zur Premiere gestern Abend konnte Lynch nicht kommen, weil er gerade jetzt in Indien weilt um seinen eigenen Film über Maharishi Mahesh Yogi zu drehen. Das berichtete zumindest die ältere Dame hinter mir im Kino. Und der Film soll dann die Wahrheit über den Guru zeigen, sagt die Dame…

Jörg Buttgereit

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