Hormone

16 Feb 2010 von Harald Mühlbeyer

Nicole Holofceners “Please Give” war ein sehr schöner Film, mehr zu sagen trau ich mich nicht wegen Sperrfrist. Schön fanden auch viele die vier Damen auf dem Podium der Pressekonferenz, man konnte den Geifer förmlich tropfen hören. Und man konnte wieder mal ein paar nette Fragen hören.

Neben Holofcener waren Katherine Keener, Rebecca Hall und Amanda Peet angetreten; klar, dass eine der Fragen dann gleich nach ihrer Zusammenarbeit mit abwesenden Darsteller Oliver Platt forschte. (Was soll man darauf antworten! Immerhin kam dabei heraus, dass Platt gerne mit dem Motorrad durch New York rast und dabei einen komischen Hut aufhat).

Andere fragten direkter: Die Schönheit dieser jungen Damen wurde gerühmt, Moderator Anatol Weber (souverän wie immer) wurde beneidet. Rebecca Hall, die im Film einmal mit einem Verehrer (und ihrer und seiner Oma) aufs Land fährt, bunte Herbstblätter angucken (offenbar Sehnsuchtsort der New Yorker), wurde gefragt, was den ihre Vorstellung eines romantischen Ortes sei. Erst nach einiger Verwirrung hat sie kapiert, dass der Journalist (zweite Lebenshälfte, graues Haar, viel Glatze) sie nach einem Date fragte. Ein anderer wollte wissen, ob denn bei soviel Schönheit am Set Konkurrenzkämpfe stattgefunden hätten, Holofcener gab dann zu, dass sich die Schauspielerinnen dauernd die Haare ausgerupft hätten, bekleidet nur in Unterhosen – genau das, was wir Männer hören wollen!

Offenbar sind alle im wahren Wortsinn “hormonsexuell” geworden, underfucked wie der lebende Torso des japanischen Kriegsheimkehrers im Wettbewerbsbeitrag “Caterpillar”, der keine Gliedmaßen mehr hat, dessen Glied aber noch nach steter Beschäftigung verlangt; was seine Frau in patriotischer Ehepflicht erfüllt.

Hormonsexuell übrigens ist ein Wortspiel-Gag aus Matti Geschonecks “Boxhagener Platz”, der mir auch gut gefallen hat; weil es keine Handlung gibt, eigentlich, vor allem: nicht die obligatorische Coming of Age-Liebesgeschichte mit der jugendlichen Hauptfigur im Berliner Osten 1968, der irgendwo zwischen der Oma, die einen Ehemann nach dem anderen verbraucht und ansonsten sich um die Verdauung Sorgen macht, zwischen den streitenden Eltern, den Säufern in der Eckkneipe, alten Spartacusbündlern und (eventuellen) alten Nazis rumtreibt, zwischen DDR-Propaganda, Westsehnsucht und 68er-Revolution irgendwo hinter der Grenze auch bisschen was bewirkt, ohne was dafür zu können, aber alles sehr runtergeschraubt zugunsten von Beschreibung, Atmosphäre etc.

Wobei “hormonsexuell” einer der wenigen, vielleicht der einzige schwächere Witz des Filmes ist (weil er die Figuren, die das dauernd aussprechen (weil der Onkel des Jugendlichen schwul ist), eben doch dümmer macht als sie sind); ansonsten krankt “Boxhagener Platz” hauptsächlich (nicht zu sehr),  daran dass er wieder mal einer der Filme ist, die in der inzwischen ausgelutschten “historischen” Straße in Babelsberg gedreht wurde, die man nun eben auch schon aus diversen Filmen über diverse Zeiten des 20. Jahrhunderts auswenig kennt.

Meine Hormone fließen übrigens in meine Hirnströme, erzeugen wirres Gedankenmaterial, das direkt in die PC-Tastatur fließt; assoziativ und voller Anmerkungen in Klammern, was soll ich machen.

Harald Mühlbeyer