The Walker (USA/UK 2007, Paul Schrader) (außer Konkurrenz)

13 Feb 2007 von Stefan Höltgen

Oliver Stone hat über Woody Harrelson einmal gesagt, seine Präsenz strahle physische Gewalt aus. Das sei auch der Grund dafür gewesen, dass er ihn für die Rolle seines Serienmörders Mickey Knox in “Natural Born Killers” gecastet habe. Nun, in Schraders neuem Film “The Walker” gibt Harrelson einen gealterten Homosexuellen, dessen Job es ist, reiche Frauen zu begleiten und zu unterhalten. Seine “physische Gewalt” gerät bei dieser Rolle natürlich weitestgehend in den Hintergrund – und dennoch schwingt bei seiner Leinwandpräsenz stets irgend etwas mit, das jenseits der Höflichkeit und Verbindlichkeit der Figur liegt.

Car, oder Carter Page III, wird aufgrund seiner Höflichkeit und Loyalität in einen Mordfall verwickelt und zeitweise sogar für den Täter gehalten. In der politischen Szene Washington D.C.s wird eine Schlammschlacht geführt, die einen liberalen Senatoren (Willem Dafoe) stürzen soll. Dessen Ehefrau (Kristin Scott Thomas) hat nämlich eine Affäre mit just dem Ermordeten (Steven Hartley) und Car ist bemüht, die Verdächtigungen von ihr zu fortzulenken. Um sich nun nicht zwischen Loyalität (der Frau gegenüber) und Ehrlichkeit (gegenüber dem Gesetz) entscheiden zu müssen, nimmt er zusammen mit seinem Geliebten (Moritz Bleibtreu) selbst die Ermittlungen auf und deckt dabei die politische Intrige hinter dem Verbrechen auf.

Die Story von “The Walker” ist weder besonders originell, noch ist sie kompliziert erzählt. Der Film hat ganz andere Werte: Da wäre allem voran die äußerst geschickte Variation des Private-Investigator-Motivs, hier vor allem durch die originellen Figuren und das soziale Setting mit frischem Odem behaucht. Ein homosexueller Lebemann, dessen Aufgabe es ist, alternden Politikerehefrauen die Tage zu verschönen und Klatsch und Tratsch zu kolportieren ist wahrlich ein ganz neues Motiv in dieser Art Krimi. “The Walker” adaptiert damit aber auch ein in der Kriminalliteratur oft verarbeitetes Sujet: Die “modernen Ermittler” sind selbst oft genug verwickelt in den Fall, an dem sie arbeiten und ihre Methodik besteht zu einem nicht unerheblichen Teil aus dem Streuen und Einsammeln von Gerüchten. Ein Gerücht verbreitet sich virulent – das weiß auch Car und gewinnt über den Fall erst in dem Moment die Oberhand, als er sich auf diese Primärtugend seines Jobs besinnt.

Sein Charakter ist mit großer Präzision und biografischer Tiefe angelegt – er verfügt über alles, was den modernen Ermittler im Kriminalfilm zu einer tragischen Figur macht: vom Einzelgängertum bis hin zur problematischen Biografie. Schrader stellt neben Car weitere Figuren, die gleichermaßen plastisch wie faszinierend wirken. Hier wäre vor allem Lauren Becall als die stets zu Car haltende Freundin zu erwähnen, und auch Moritz Bleibtreu hat man wol bislang nur selten in so guter Performance gesehen. Der routiniert-dezente Einsatz der Kamera, die sich dennoch in wenigen Szenen an der optischen “Verbreitung von Gerüchten” beteiligt und der teils elegische, teils treibende Soundtrack der “Art of Noise”-Musikerin Anne Dudley bilden den perfekten Rahmen für diese originelle und erfrischende Krimigeschichte.