Brand upon the Brain (USA/Kanada 2006, Guy Maddin) (Forum)

10 Feb 2007 von Stefan Höltgen

“Painting the past” – das ist das Projekt Guys, der als erwachsener Mann auf die Insel zurückkehrt, auf der er als Kind gelebt hat. Seine Mutter hat dort in einem Leuchtturm ein Waisenhaus betrieben, sein Vater im Keller desselben merkwürdige Experimente angestellt. Guy und seine Schwester Sis verbringen ihre Tage mit den Waisen, eilen jedoch jedes Mal, wenn der Ruf der Mutter durchs “Aerophon” dröhnt, zurück nach Hause, um zu essen oder sonstigen Pflichten nachzukommen. Doch irgend etwas stimmt nicht mit der Mutter und erst recht nicht mit dem Vater. Die Waisen haben merkwürdige Verletzungen am Kopf und im Nacken und als eines Tages die berühmte Detektivroman-Schriftstellerin Wendy Hale auf die Insel kommt, um die seltsamen Vorgänge zu untersuchen, bricht das Chaos aus: Guy verliebt sich in Wendy, Wendy verliebt sich in Sis, die Mutter argwöhnt Verschwörung und der Vater wird ermordet, nur um dann – dank seiner Experimente – wieder reanimiert zu werden.

“Irgend etwas”, so könnte man meinen, stimmt auch mit Guy Maddins Film nicht. “Painting the past” ist nämlich nicht nur das von der Hauptfigur betriebene Projekt (auf Wunsch der Mutter kehrt Guy als Erwachsener zur Insel zurück und streicht den Leuchtturm weiß, während ihm jene Erinnerungen an seine Kindheit kommen, die wir als Film zu sehen kriegen); auch Regisseur Guy Maddin malt – zum wiederholten Mal – Bilder der Vergangenheit. Sein Film ist Kader für Kader eine Hommage an die Bildästhetik des Stummfilms. Von den Qualitätsschwankungen über die punktiert-beleuchteten Bildakzentuierungen bis hin zu den Zwischentext-Tafeln.

Der Sinn dieser Ästhetik ist wohl weniger im Sujet des Films zu suchen, als im künstlerischen Projekt Maddins. “Brand upon the Brain” ist nicht der erste Film von ihm, in dem er sich bildästhetisch an die Frühzeit des Kinos anlehnt. In seinem jüngsten Werk gerinnt dieser Individualstil jedoch beinahe zur Attitüde, weil er letztlich ohne Bezug zum Übrigen des Films zu sein scheint. Und dennoch ist da etwas, etwas das Spaß bereitet, das sich genau aus der teilweise recht ironischen Verwendung der körnigen Bilder und verschwommenen Zwischentitel ableitet.

Über seine vorherigen Experimente hat Maddin es gelernt, eine ironische Spannung zwischen Bild und Ton, Schrift und Bild, Montage und Musik herzustellen. Diese entlädt sich im Verlauf des Films und seiner immer surrealer werdenden Erzählung zusehends. Irgendwann starrt man auf die Leinwand und wundert sich, dass man die Schnitt-Kaskaden und Ton-Kakophonie zu ertragen in der Lage ist – soweit schafft es Maddin den Zuschauer zu bringen und noch nach Steigerung zu verlangen.

Die Musik des Film ist – das darf nicht unerwähnt bleiben – überhaupt ein Juwel! Zumeist spielt ein Streichquartett eingängige, jedoch keineswegs naiv strukturierte Themen, hin und wieder abgelöst oder begleitet von Klavier und ganz selten auch perkussiven Instrumenten: Es kommt einem vor, als wären (wie zu Zeiten des Stummfilms) Filmmusiker anwesend, die die Bilder assoziativ begleiten. Und das stimmt(e) sogar fast: Komponist Jason Staczek war Ende Januar im Vorfeld der Berlinale in Berlin und dirigierte das Volkswagen-Orchester live während einer Vorführung von “Brand upon the Brain” im Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt.