The Good Shepherd (USA 2006, Robert de Niro) (Wettbewerb)

10 Feb 2007 von Stefan Höltgen

Robert de Niros zweite Regie-Arbeit nach “A Bronx Tale” (1993) verlässt das Private des Stadtviertels und die Sicherheit der reinen Gegenwartserzählung und entwirft in fast drei Stunden die Geschichte des fiktiven CIA-Mitbegründers Edward Wilson (Matt Damon), dessen Privatleben einfach nicht aus seinem Job herauszuhalten ist – fast schon wie bei König Ödipus erfüllt sich ein (hier jedoch ererbtes) Schicksal: Er kann nicht loyal sein, weil das Leben nun einmal mehr als eine “gute” und eine “böse” Seite hat, zwischen denen man sich einfach nur zu entscheiden braucht.

De Niro erzählt in epischer Breite, wie sich der Charakter seiner Hauptfigur im Gleichschritt mit dem Eintritt der USA in den zweiten Weltkrieg, dem danach eskalierenden Kalten Krieg und schließlich der Zerschlagung der CIA nach dem Desaster in der Kubanischen Schweinebucht 1961 entwickelt. Immer sind es alte Freunde oder Feinde, die seinen Weg mit beinflussen und wie ein Geist scheint sein familiäres Schicksal zuerst über ihm und dann auch über seinem Sohn zu schweben – “ein Geist, der stets das Gute will und doch das Böse schafft.”

“The Good Shepherd” ist Erzählkino ganz im Stil des “späten” Martin Scorsese von “Gangs of New York”. Schon bei “A Bronx Tale” wollte oder konnte sich Regisseur de Niro nicht von den Sujets seines kinematographischen Ziehvaters lösen. Ob diese ästhetische Nähe seiner eigenen Filmkunst gut tut oder ihm gar zu Ruhm gereicht, könnte die Stellung des Films im Wettbewerb der Berlinale entscheiden. Letztlich ist “The Good Shepherd” auf jeden Fall solide erzähltes Kino.

Mir war der Film jedoch eindeutig eine Stunde zu lang. Die Detailverliebtheit, mit der historische Ereignisse in die Handlung integriert wurden, zu versessen auf eine Agenda, wie sie Stone (in “J.F.K”) oder Scorsese (in “Gangs of New York”) verfolgen: der Re-Lektüre amerikanischer Geschichte im Kino. Fragwürdig waren vielleicht auch einige Rollen-Besetzungen des Films. Dies lag vor allem daran, dass de Niro einen Zeitraum von 30 Jahren nacherzählt, ohne seine Darstellerwahl daraufhin angepasst zu haben: Hier wirkt Angelina Jolie auf mich genauso unglaubwürdig besetzt wie der Hauptdarsteller Matt Damon (dessen Film-Sohn, gespielt von Eddie Redmayne, zeitweilig mindestens ebenso alt aussieht wie sein Vater).