Berlinale 2010 – Willkommen!

09 Feb 2010 von Harald Mühlbeyer

Herzlich Willkommen beim diesjährigen epd-Film-Berlinale-Blog – dem Weblog, das nicht in Berliner „Jugend-ist-jung“-Romanen gesampelt wird (was wir als Auszeichnung verstehen)!

Das deutsche Filmjahr 2010 hat ja gut angefangen, schon jetzt, Ende Januar, Anfang Februar sind vier beste Filme 2010 abzusehen:

„Das Kabinett des Dr. Parnassus“ von Terry Gilliam (mit der Einschränkung, dass der Film tatsächlich hätte noch besser werde können)

„Männer, die auf Ziegen starren“ von Grant Heslov (mit der Einschränkung, dass dies der einzige der besten Filme 2010 ist, den ich nicht dringend ein zweites Mal sehen möchten würde)

Und uneingeschränkt: „A Serious Man“ von den Coens und „Der Fantastische Mr. Fox“ von Wes Anderson (der in ein paar Monaten erst in die Kinos kommt).

Die Erwartungen an die Berlinale könnten also angesichts dieser Vorleistungen aus dem letzten Jahr nicht höher sein. Martin Scorseses „Shutter Island“ darf auf keinen Fall hinter, sagen wir, „Departed“ zurückfallen, weniger als drei, vier Oscars in ein paar Wochen sollten eigentlich dazu führen, den Film nachträglich wieder aus dem Berlinale-Programm zu verbannen. Und wenn Polanskis Polit-Verschwörungsthriller „Ghost Writer“ auch nur einen Deut schlechter als „Chinatown“ sein sollte: unverzeihlich! Nachträgliche Sicherheitsverwahrung!

Wie es der Weltenplan vorsieht, habe ich selbstverständlich die früheren Berlinale-Gewinner „Tuyas Hochzeit“ und „Grbavica“ damals nicht gesehen. Die neuen Filme der jeweiligen Regisseure – der Eröffnungsfilm „Tuan Yuan“ von Wang Quan’An und „Na putu“ von Jasmila Zbanic – laufen nun auf der Berlinale, und ich erwarte ob der von den früheren Berlinalejuryen durch Goldener Bär-Verleihung vergebenen Vorschusslorbeeren von diesen Filmen nicht weniger als Revolutionen, die die cineastische Welt völlig umstürzen.

Und sollte irgendwann in irgendeinem Film die Kamera zu lange und zu bedeutungsvoll auf irgendein symbolbeladenes Detail blicken; sollte irgendwann auf dem Soundtrack oder aus dem Mund einer der Filmfiguren ein schwermütiger Song ertönen, der nach dem Willen des Filmemachers alles erklären soll; und, an die Journaille gewandt: sollte irgendwann in einer Pressevorführung ein Handy klingeln – dann gehe ich! Dann schmeiß ich hin! Dann könnt ihr sehen, wo ihr bleibt!

Ernsthaft: Worauf ich wirklich gespannt bin im Wettbewerb sind die beiden deutschen Beiträge „Der Räuber“, weil Benjamin Heisenbergs vorheriger „Schläfer“ einer der besten deutschen Filme der letzten Jahre ist. Und Oskar Roehler, dessen sehr lustiger, sehr klarsichtiger, sehr bizarrer „Lulu und Jimi“ zuletzt ziemlich übersehen wurde, geht vielleicht, hoffentlich einem anderen sehr guten deutschen Film auf die Spur: „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ wird vielleicht die kinematographische Meisterschaft von Veit Harlan zeigen – und dabei deutlich machen, wie perfide, wie menschenverachtend, wie böse, wirklich böse Harlan seine Inszenierungsfähigkeiten einsetzte.

Harald Mühlbeyer